Doppelter Windsor

Reportage: Chauffeurstraining
Einen Rolls-Royce zu fahren, ist ein Privileg, ihn angemessen zu bewegen eine Kunst. Deswegen bietet die englische Luxusmarke Chauffeurstrainings an, bei denen auf jede Kleinigkeit geachtet wird.

Erinnert sich noch jemand an einen Chauffeur im Episodenfilm "Der gelbe Rolls Royce"? Nein? Dann hat der Mann hinter dem Lenkrad einen perfekten Job gemacht. Zumindest, wenn es nach Andy McCann geht. "Früher hieß es, das Lauteste in einem Rolls-Royce ist die Uhr und nicht der Fahrer. Jetzt hört man die Uhren nicht mehr, also sollte die Klimaanlage das Lauteste sein", erklärt der drahtige Endvierziger. Er muss es wissen. Denn McCann macht aus guten Chauffeuren die besten. Solche, die dem Anspruch eines Rolls-Royce-Besitzers entsprechen.

So ein Kurs dauert einen Tag. Nur sechs Teilnehmer sind zu dem White-Gloves-Training (dt.: Weißes Handschuhe-Training) zugelassen. Allein so kann Andy seinen Schülern die nötige Aufmerksamkeit zuteil werden lassen. Kein Detail bleibt unbeachtet. Für den Lenker der edlen Karosse ist zuvorkommende Pünktlichkeit ein Muss. Im wahrsten Sinne des Wortes. "Wenn der Chauffeur pünktlich ist, ist er schon zu spät. Er sollte drei Minuten früher parat stehen", sagt Andy.

Das Auftreten muss perfekt sein. Dazu gehört ein makelloser doppelter Windsor-Krawattenknoten. Der Schlips muss nämlich genau bis zur Mitte des Gürtels reichen. Und die perfekte Optik hört erst bei den Schuhsohlen auf. Sind die aus Gummi, holt sich der Chauffeurs-Anwärter gleich die erste Belehrung ab. "Die Schuhsohlen müssen aus dünnem Leder sein. Nur so hat der Fahrer das perfekte Gefühl für Gas und Bremse", erklärt McCann. Schließlich geht es auch beim Fahrer um das entspannte Dahingleiten. Das entspricht den Maximen eines jeden Rolls-Royce. "Effortless" nennt es McCann.

Um das zu gewährleisten, muss auch die Sitzposition stimmen. Da spielt der Muskel-Tonus ebenso eine Rolle, wie die Position der Arme. Der geschmeidige Brite weiß, wovon er redet. Immerhin hat er zwei Formel-1-Weltmeister betreut.


Schreitet der Chauffeur um den Rolls-Royce herum, so geschieht das immer entlang des Hecks, nie vorne
Das Fahren ist ein wichtiger Bestandteil des Trainings, aber beileibe nicht der Einzige. Schließlich erwarten die Gäste eine perfekte Rundum-Betreuung. Das Verladen des Gepäcks folgt einem strengen Ritual. Zunächst werden die Koffer verstaut, dann erst die Tür für den Passagier geöffnet. So ist die Gefahr eines Diebstahls minimiert. "Dazu gehört, dass man den Taschen nie den Rücken zudreht", erläutert Andy McCann eines der wichtigen kleinen Details.

Damit ist die Gepäckfürsorge noch längst nicht beendet. Die Taschen werden immer getragen. Ganz gleich, ob sie mit Rollen versehen sind oder nicht. Denn nur so ist sichergestellt, dass die Koffer nicht den Wohnungsboden des Passagiers mit Straßendreck verschmutzen, wenn der Fahrer sie in das Haus transportiert und dort abstellt. Schreitet der Chauffeur um den Rolls-Royce herum, so geschieht das immer entlang des Hecks, nie vorne. "Aus Respekt vor der Spirit-of-Ecstasy-Statue, die sich auf der Motorhaube befindet", erklärt der Ausbilder. Eine andere Regel: Beim Parken sind die Vorderräder immer gerade.

Die Reihenfolge des Einsteigens und die Sitzplätze sind ebenfalls genau definiert. Natürlich wird erst der Dame die Tür geöffnet, ehe der Herr den Innenraum entert. Der sitzt immer quer hinter dem Chauffeur.

Auch das Verhalten während der Fahrt unterliegt einem strengen Ritual. Beginnt der Gast nicht innerhalb von einer Minute ein Gespräch, nachdem er seine Mails gecheckt hat, klappt der Fahrer den Rückspiegel nach oben. Damit ist die Privatsphäre des Passagiers gewährleistet. Damit die nicht durch unnötige Geräusche gestört werden, wird der Blinkerhebel bei Richtungswechseln nur einmal angetippt. Ebenso selbstverständlich ist es, dass sich der Chauffeur über seine Gäste informiert. Also wird die Klimaanlage selbstredend nach den Wünschen des Passagiers eingestellt und das Lieblingsgetränk ist an Bord.


Die Tradition der Chauffeurstrainings geht auf den Firmengründer Henry Royce zurück
Das Aussteigenlassen muss ebenfalls geübt werden. Denn ein Rolls-Royce-Chauffeur hat aus gutem Grund auch bei Sonnenschein immer einen Regenschirm parat. So kann er die Gäste vor unliebsamen Blicken schützen, wenn sie das Fahrzeug verlassen. Die beiden gegenläufigen Türen erledigen den Rest. Wie gut das ausgeklügelte Sichtschutz-Prinzip funktioniert, konnte Andy McCann beweisen, als er einen weiblichen Hollywoodstar aus dem Rolls-Royce geleitete, ohne dass den Paparazzi ein Schnappschuss gelang.

Genauso gewissenhaft, wie er es von seinen Schülern erwartet, bereitet sich Andy McCann auf den Lehrgang vor. In Asien würde man ihn im Anzug für einen PC-Verkäufer halten, also tritt der Ausbilder in dieser Region in einem Polohemd auf.

Die Tradition der Chauffeurstrainings geht auf den Firmengründer Henry Royce zurück. Der erkannte bereits 1912, dass damit die Pannen minimiert und die Autos zuverlässiger würden. Vor einem Jahr hat die britische Edelmarke diese Tradition wieder aufleben lassen. Nicht ganz aus Eigennutz: Denn oftmals reden die Chauffeure ein gewichtiges Wort mit, wenn es um die Anschaffung eines neuen Automobils geht.

Viele der Kurse finden in Asien und vor allem in China statt. Die meisten der Schüler sind ehemalige Taxifahrer. Die hören genau hin, wenn Andy McCann über die richtige Wahl der Schuhsohle doziert.

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