T-Time in Italia

Fahrbericht: Ferrari California T
Ein Turbotriebwerk in einem Ferrari? Da fürchteten eingefleischte Ferraristi schon den Untergang des Abendlandes. Doch der aufgeladene California T macht noch mehr Spaß und irren Sound als vorher.

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Schwierige Zeiten für Sportwagenbauer. Die immer strengeren Abgasvorschriften zwingen selbst Kleinserienhersteller wie Maserati oder Ferrari zu technischen Klimmzügen - und damit zu gigantischem Aufwand. Notgedrungen also verabschiedet man sich auch auf in Maranello langsam von den die heiß geliebten Saugmotoren.

Das neue Turbo-Triebwerk kann nahezu alles besser als der 490 PS starke Vorgänger. Mehr Leistung, ein mächtiger Drehmomentzuwachs und deutlich weniger Verbrauch machen es eingefleischten Ferraristi ebenso wie Neukunden leichter, sich an die neue Technik zu gewöhnen. Schließlich hat seit dem legendären F40 kein Lader mehr in einem Serien-Ferrari lautstark für Druck gesorgt. Und das kann auch der neue Turbo-V8 exzellent - wenn auch mit einem neuen, bassigeren Klangbild.

Der amerikanische Kunde jedenfalls, der das letzte Modell der ausgelaufenen California-Sauger-Produktion in strahlendem Schwarz ausgeliefert bekam, wird sich ärgern. Er verpasst einiges. "Denn neben dem Ansprechverhalten war der Klang des Triebwerks der zentrale Punkt der Neuentwicklungen", erklärt Vittorio Dini, verantwortlich für den Antrieb, "daran werden wir gemessen. Der neue Motor baut kleiner und flacher. Sein zwei Zentimeter tieferer Schwerpunkt macht ihn zudem agiler."

Doch bereits die Rahmendaten belegen, dass die neue Enthaltsamkeit durch das kleinere Triebwerk in Wahrheit keine ist. Statt des 4,3 Liter großen V8-Saugers mit 490 PS brüllen unter der langen Haube des California T ab Herbst 412 kW/560 Pferde. Von 0 auf Tempo 100 katapultiert er in 3,6 - bis 200 km/h in 11,2 Sekunden - und das bei einem Normverbrauch von 10,5 Litern.

Da nervt es am meisten, dass sich das vollelektrische Klappdach des 2+0-Sitzers ausschließlich im Stand öffnet und schließt - immerhin reichen 14 Sekunden dafür. Das können andere trotzdem besser. Das Kofferraumvolumen beträgt praktikable 240 bis 340 Liter. Eine elektrische Heckklappe, wie beim Hauptkonkurrenzen Mercedes SL 63 AMG? Ebenso Fehlanzeige wie ein schlüsselloser Zugang oder klimatisierte Sitze. Bitter für 183.499 Euro Einstiegspreis.


Kein Wunder, dass sich der California seit 2009 zum erfolgreichsten Ferrari-Modell aller Zeiten entwickelt hat
Am Volant schlägt sich der Ferrari California T besser und insbesondere sportlicher als zuvor. Der über 1,7 Tonnen schwere Roadster, dessen Hinterteil durch das mächtige Klappdach nach wie vor einer prall gefüllten Windel gleicht, bewegt sich durch Wechselkurven nicht so filigran und messerscharf wie ein 458er. Doch er bietet eine grandiose Mischung aus enormer Sportlichkeit und erlebenswertem Restkomfort.

Kein Wunder, dass sich der California seit 2009 zum erfolgreichsten Ferrari-Modell aller Zeiten entwickelt hat. "70 Prozent aller California-Käufer sind Erstkunden bei Ferrari", erläutert Produktmanager Nicola Boarini, "wir haben mit dem California völlig neue Kreise erreicht." Der 4,57 Meter lange Ferrari schwimmt zwischen den Welten. Er bietet mit 316 km/h Spitzentempo und 755 Nm maximalem Drehmoment eine spektakuläre Leistungsentfaltung und hat optisch ein vergleichsweise zurückhaltendes Auftreten.

Das gilt für den Klang des neuen Achtzylinders nur eingeschränkt. Denn beim Starten des Direkteinspritzers wird schnell klar, dass mit dem California T nicht gut Kirschen essen ist. Und wer über 6.000 Touren unterwegs ist, der dirigiert mit dem rechten Fuß ein volumenreiches Stakkato. Das auf 3,9 Liter nur leicht geschrumpfte Triebwerk klingt bassiger und tiefer als beim Saugmotor, der bis an die 8.000 Touren drehte. Und immer an die Kunden denken: "Aufgrund des Hubraums von unter vier Litern hat es den angenehmen Nebeneffekt, dass der Ferrari California T in China um bis zu 40 Prozent günstiger ist - wegen seiner Hubraumsteuer", rechnet Boarini vor. Das dürfte die meisten Kunden allerdings ebenso wenig kümmern wie der Verbrauch, der rund 15 Prozent unter dem des Vorgängers liegt.

Am deutlichsten spürbar ist die geänderte Motorencharakteristik, denn während bisher bei 5.000 U/min das maximale Drehmoment von 505 Nm lustvoll seine Arbeit verrichtete, sind nun bereits ab 2.750 U/min bis zu 755 Nm verfügbar. Wer die Pferde beim Überholen galoppieren lässt, mit dem gehen sie beinahe durch. Da passt es gut ins Bild, dass die Sportsitze nicht nur wohl konturiert sind, sondern auch mit Langstreckenkomfort glänzen. Einzige Fehlbesetzung: das schwache Navigationssystem. Und versprochen: Nur beim Start fliegen einem kurz Gedanken über den Turbomotor durch den Sinn. Denn zwischen den mittigen Lüftungsdüsen zeigt eine digitale Runduhr, wieviel Turbopower gerade abgerufen wird.

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